SIKO Gegenaktionen München

Beitrag Magdi Gohary

Magdi Gohary, Rede auf dem Marienplatz

anlässlich der Sicherheitskonferenz
06.02.09 ca. 17:00 Uhr
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Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen in eigener Sache machen. Wie Sie sicher aus der gestrigen SZ entnehmen konnten, haben sich Jerzy Montag als Münchner Grüner Abgeordneter und Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe und Dieter Janecek Landesvorsitzender der Grünen in Bayer in einen offenen Brief, den beide an die „lieben Friedens und AntikriegsfreundInnen“ geschrieben haben.

Darin äußerten beide die Befürchtungen,
„dass von den Protestaktionen gegen die Sicherheitskonferenz das Signal ausgeht, Israelis Existenz auch in den Grenzen von 1948 und 1967 in Frage zu stellen. Wir befürchten auch, dass bei den Protestaktionen Antisemitismus laut wird und zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden aufgerufen wird. Dies wäre gerade in München unerträglich“

Lieber Jerzy und lieber Dieter, ich nehme euch diese Sorge überhaupt nicht ab. Hättet Ihr euch informiert darüber, wie solche Veranstaltungen ablaufen und welche politische Meinungen vertreten sowohl Sofia Deeg, die morgen sprechen wird und Magdi Gohary, der jetzt vor euch steht, Wäre dieser Brief überflüssig wie ein Kropf.
Ich habe das Gefühl, dass ihr unsere Proteste gegen die Sicherheitskonferenz diskreditieren möchtet. Wir fragen uns, habt Ihr das nötig?

Die Antisemitismuskeule bleibt in diesen Fall unanständig auch wenn sie grün gefärbt wird.


Mittwoch Früh hörte ich im BR, dass unser Bundesaußenminister Steinmaier „zutiefst beunruhigt“ sei. Zuerst dachte ich, dass er an die 1400 Tote und 5000 Verletze Palästinenser in Gaza denkt.

Oder darüber, wie er seine israelischen Kollegin Livni schonend beibringen könnte, dass Israel für die 2 Mrd. Euro Schäden als Verursacher selbstverständlich aufzukommen hat. Soviel hat der Zerstörung Gaza nämlich gekostet.

Nein, nichts von alledem.
Unser Bundesminister ist zutiefst beunruhigt weil Iran einen 30 kg schweren Komunikationssatelliten in das Weltall geschossen hat.
So ist es halt mit der politischen Elite, die manche von uns gewählt haben und die eigentlich darauf vereidigt ist, den Interessen der Menschen in Deutschland zu dienen.

Vier Tage vor der Vereidigung von Barak Obama am 16.Jan., d.h. Mitten in dem politischen Vakuum, haben Livni und Rice ein Memorandum, ein Abkommen zwischen Israel und den USA, unterzeichnet.

Es lohnt sich hier daraus ein paar Einzelheiten zu erfahren.

Das Abkommen regelt eine Kontrolle der ägyptischen Grenze zur Gaza.
Nato, EU-Staaten und regionale Verbündete sollen zusammenarbeiten mit dem Zweck den Waffenschmuggel an die Hamas und andere terroristischen Organisationen auf dem See- und Landweg zu unterbinden

Das Abkommen erstreckt sich räumlich von Gibraltar im Westen des Mittelmeeres bis zum persischen Golf, weiter über das Roten Meer bis Ostafrika.

Es sieht eine enge Kooperation auf dem Gebiet der Sicherheit und des Austauschs von Geheimdienstinformationen mit den Regionalstaaten vor. Dabei sind das US-Zentralkommando in Europa, das Kommando Afrika, das Kommando Sonderoperationen neben der US-Marine und den Nato-Seestreitkräfte involviert

Alle internationalen und regionalen Kräfte tragen Verantwortung bei der Beendigung und Unterbindung aggressiver Handlungen gegen Israel

Ein solches Abkommen verletzt eklatant sowohl das Völkerrecht als auch die UNO-Charta und –Resolutionen.

Hier geht man davon aus, dass der Widerstand und nicht die Besatzung das Hauptproblem sei.

Einen Tag später haben Großbritannien, Frankreich und Deutschland begonnen dieses Abkommen in die Tat umzusetzen. Sie erklärten sich bereit sowohl Marineeinheiten als auch Ausrüstungen und technische Hilfe in die Region zu senden mit dem Ziel den Waffenschmuggel nach Gaza zu unterbinden.

Nikolas Sarkozy, der jetzt Gast unserer Stadt ist, sandte bereits eine Fregatte, die vor Gaza kreuzt.

Seit der formalen Unabhängigkeit Ägyptens vom britischen Kolonialismus in den 20er Jahren hat es so etwas nicht gegeben. Zwei Staaten beschließen locker von Hocker, die Grenzen eines dritten souveränen Staats zu kontrollieren.

M. Le Presidente, vergessen Sie nicht, dass die Kanonenboot Politik ein für alle mal passe ist.
Vergessen Sie nie, dass die Anrainervölker, von ihren Herrscher abgesehen,
dies nie akzeptieren werden.

Eins dieser Völker, das algerische Volk, hat sich des französischen Kolonialismus, der von Frankreich bis heute nie richtig aufgearbeitet wurde, entledigt. Dafür hat es den Preis von einer Million Toten in den fünfziger und sechziger Jahren zahlen müssen.

Unter den Mantel Terror- oder/und Pirateriebekämpfung kontrolliert die Nato fast die gesamten Gewässer des Ostarabischen Raums. Sie kreuzen vor den Libanon, jetzt vor der ägyptischen Sinaiküste, im Roten Meer, vor Ostafrika und im persischen Golf.

Hier braut sich still und leise eine explosive Mischung zusammen. Wir werden hier in Europa darüber unzureichend informiert oder sogar falsch informiert.

Sollen wir hier abwarten bis einer der Nachfolger von Ex-Verteidigunsminister Struck uns verkündet, dass Bundeswehrsoldaten nicht nur am Hindukush sondern auch im Osten des Mittelmeers unsere Freiheit verteidigen?

Ist das die praktische Umsetzung der Zusage von Kanzlerin Merkel, die Sicherheit Israel sei ein Stück „Staatsräson“ Deutschlands?

Ich frage Jo Biden, Vicepresident der USA und Leiter der US-Delegation auf der Sicherheitskonferenz:

Was wird ihre neue Administration mit diesen Memorandum tun?

Es in die Tat umsetzen und damit diesen „kolonialen“ Akt legitimieren - als letzte Handlung der verbrecherischen Politik von Bush und Cheney.
Oder es in den Papierkorb werfen?

Es gibt zwei Lesarten zur Gaza:

  1. Südisrael ist von Kassam-Raketen bedroht
  2. Gaza-Streifen ist ein großes Freiluftgefängnis, das seit 2 Jahren abgeschnürt wird um - wenn die1,5 Mill. Menschen mürbe genug sind –die Hamas gefügig zu machen

Wir müssen schließlich aus diesem Desaster rauskommen? Und zwar schnell
Wie wäre es mit einer Kombination aus den zwei Lesarten:
Die Blockade von Gaza wird faktisch und praktisch aufgehoben. UN-Experten sagen: 600 LKW müssen täglich rein um Gaza zu versorgen. Heute sind es nur 60-80 LKW. Man muss sich das vorstellen, wenn die münchner Bevölkerung, die weniger ist als die in Gaza. würde nur mit 60-80 LKW täglich versorgt.

Es ist absolut notwendig, dass hier nicht nur kontrolliert sondern garantiert wird. Die EU redet bis heute nur von Kontrollen. D.h. fein säuberlich registrieren was und wieviel rein gekommen ist. Das reicht nicht mehr. Die Welt muss dafür sorgen, d.h. garantieren dass, das Aushungern von 1,5 Millionen Menschen in Gaza im 21-Jahrhundert nicht mehr möglich ist. Hier ist die UNO gefragt.

Auf der anderen Seite wird Hamas und andere Organisationen auch dafür sorgen müssen, von Gaza keine dieser unseligen Raketen abzufeuern. Hier sind Garantien auch vonnöten.

Das kann aber nur funktionieren, wenn man mit Hamas redet. Da wären manche Signale aus Washington sicher hilfreich.
Diese Wege sind zu beschreiten um aus der heutigen Misere herauszukommen.

Eine dauerhafte und gerechte Lösung für das Palästina Problem wäre dies aber noch lange nicht.
Ich sage es zum hundertsten Mal, die Besatzung muss schleunigst weg, eher heute als morgen. Sie ist die Ursache des palästinensischen Widerstands – ihr Bestand bedeutet nicht Sicherheit für Israel sondern im Gegenteil seine Bedrohung
Wer heute einen binationalen Staat propagiert, und viele Menschen guten Willens tun das, begeht zwei grundlegende Denkfehler:

  1. Er kapituliert vor dem Problem der Siedlungen in der Westbank
  2. Er schiebt das Ende der Besatzung auf den Nimmerleinstag

Einstaaten-Lösung kann nur als eine Weiterentwicklung eines souveränen gleichberechtigten Palästinensischen Staats neben Israel sein.
Der Bau der Siedlungen wurde von allen israelischen Regierungen seit 1967 forciert.
Die Siedlungen sind nicht vom Himmel gefallen. Ergo sind sie auch rückgängig zu machen. So einfach ist das. Anderes zu denken heißt die Politik des Zeitgewinns durch Israel - siehe der sog. Friedensprozess - zu honorieren. Die Situation im Nahen Osten erträgt diese Tricksereien nicht mehr.

Barak Obama ist für Millionen von Menschen ein Hoffnungsträger - nicht nur in den USA sondern auch in der arabischen und islamischen Welt.

Er hat vor kurzem den Muslimen in aller Welt seine Hand gereicht.
Er hat die Binsenweisheit ausgesprochen, dass das Israel/Palästina Problem mit den Auseinandersetzungen in Irak in Afghanistan und Pakistan eng verbunden ist.
Eine Wahrheit, die die Eliten Israels immer vehement geleugnet haben.

Aber alle Menschen, die Opfer des neuliberalen Wirtschaftsdisasters,
alle Menschen die Opfer von Kriegen in Palästina, in Afrika in Irak und in Afghanistan,
alle Menschen, die Opfer des Kahlschlags unserer Natur-Ressourcen,
alle Menschen, die zukünftige Opfer des Klimawandels
und nicht zuletzt wir die Friedensbewegten auf der ganzen Welt.

Wir alle werden den Hoffnungsträger Barak Obama und seine Administration nur an ihren Taten messen. Eile ist geboten Barak Obama

Die Hoffnung stirbt zuletzt