Leserbrief
Walter Listl an die "Süddeutsche Zeitung"
Zu Außenansicht „Die Last der Verantwortung“ von Wolfgang Ischinger, SZ vom 27.5.2011
Herr Ischinger erweist sich erneut als versierter Kriegsstratege und plädiert dafür, künftig Kriege möglichst nach strengen Kriterien und ordentlich zu führen. Seine Hausordnung für weltweite deutsche Militäreinsätze entspricht einer imperialen Weltsicht, nach der der Westen bestimmt, wann, wo und zu welchen Bedingungen sich die übrigen Länder auf Bombenangriffe oder militärische Interventionen einzustellen haben.
Vor dem Hintergrund des „Krieges gegen das Gaddafi-Regime“ – schreibt Herr Ischinger - ließen sich vier Kriterien für künftige Bundeswehreinsätze formulieren:
Erstens brauche es ein entsprechendes Mandat um den Einsatz zu legitimieren. Im Extremfall, schreibt er, gehe es aber auch ohne. Aber Extremfall ist dann ja eh immer.
Zweitens, solle die Region (was immer darunter zu verstehen ist) in der der Einsatz stattfindet, den Einsatz unterstützen. Aber auch hier seien Ausnahmen denkbar. Wenn z.B. die Nachbarstaaten mit dem zu bombardierenden Land zusammenarbeiten. Aber das dürfte gerade in der arabischen Welt der Regelfall sein. Na also.
Drittens sollte das Ziel (notfalls – natürlich nur) mit militärischen Mitteln erreichbar sein. Also „vor dem Hintergrund des “Krieges gegen das Gaddafi-Regimes“ keine läppischen Flugverbotszonen, sondern gleich gezielte Bombardierung der libyschen Infrastruktur undgezielte Tötungen. Also künftig keine halben Sachen mehr in Punkto Krieg. Wenn Krieg, dann aber richtig.
Und viertens schließlich: Ein solcher Einsatz muss aus deutschem und europäischem Interessen heraus begründet werden können.
Herr Ischinger lobt den neuen Verteidigungsminister dafür, dass dieser es auf die einfache Formel brachte: Wohlstand erfordert Verantwortung. Im Klarsprech von Herrn de Maiziere heißt das, die „Erschließung, Sicherung und den Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten“ weltweit mit der Bundeswehr abzusichern.
Also-Wohlstand durch Krieg! Wie lange wollen wir uns solche Politiker und Kriegsstrategen noch zumuten?
Fast schon naiv unschuldig wirkt Ischingers Selbstbeschränkung: „Natürlich können wir nicht überall dort eingreifen, wo Menschenrechte massiv missachtet werden“. Da hat der Rest der Welt aber nochmal Glück gehabt.
In Libyen schon, aber nicht in Jemen oder Barein und nicht in Saudi Arabien. Dort werden zwar Menschenrechte verletzt, dort wird zwar gefoltert und getötet, aber nicht unser Wohlstand gefährdet. Denn da sind „unsere“ Truppen stationiert und da kommt „unser“ Öl her.
Man müsse die Menschenrechte notfalls mit Einsatz des Militärs schützen, meint Herr Ischinger. Aber im Irak, in Afghanistan oder aktuell in Libyen ist klar: Alles Lüge! Nie geht es um Menschenrechte. Immer im Ressourcensicherung, strategische Interessen, um Profit. Dafür geht man über Leichen.
Nicht die Menschenrechte müssen mit Militär geschützt werden. Die Menschen müssen vor Leuten wie Herrn Ischinger und de Maiziere und deren Politik geschützt werden.