Gestern, zur Eröffnung der Siko, hat Kriegsminister de Maiziere laut darüber nachgedacht, dass Deutschland und Europa in Zukunft noch mehr „Sicherheitspolitische Verantwortung“ übernehmen sollten. Das bedeutet übersetzt:
mehr Kriegseinsätze. Seit über 10 Jahren und inzwischen auf 3 Kontinenten führt die Bundeswehr Krieg. Am Anfang hieß das noch Auslandseinsatz. Lange wurde von „bewaffneter Friedenssicherung“ geredet und geschrieben, von sogenannten robusten Mandaten und humanitärer Intervention. Krieg wird als bewaffnete Entwicklungshilfe verkauft, die den Menschen Wohlstand und Sicherheit bringen soll. Und die Menschen in den Kriegsgebieten können nicht entscheiden, ob sie diese Form der Entwicklungshilfe mit Bomben und Panzern haben wollen. Die Entscheidung darüber trifft eine Bundesregierung, die die Bundeswehr einsetzt, um überall auf der Welt das durchzusetzen, was sie als nationales Interesse betrachtet. Neben den ökonomischen Interessen, dem Zugang zu Rohstoffen und Absatzmärkten, geht es dabei auch um die politische Hegemonie in einem globalisierten Kapitalismus, in dem der Krieg zum Dauerzustand geworden ist.
DER KRIEG BEGINNT HIER
Solange kooperationsbereite Diktatoren wie in Saudi-Arabien garantieren, dass das Öl fließt, werden als Gegenleistung Panzer von Krauss-Maffei geliefert.
Solange Despoten wie Mubarak in Ägypten und Gaddafi in Libyen als strategische Partner politische Stabilität garantieren, bekommen sie Maschinenpistolen von Heckler und Koch oder Aufklärungstechnik von Siemens, mit denen sozialer Protest unterdrückt oder Flüchtlingsbewegungen kontrolliert werden sollen.
DER KRIEG BEGINNT HIER
Wenn das Öl nicht mehr fließt, wenn das Kapital der Investoren nicht mehr frei zirkulieren kann, oder wenn die politische Hegemonie in Frage gestellt ist, werden die NATO-Armeen im Namen der Menschenrechte in Marsch gesetzt, um die Freiheit des Marktes zu schützen und um angebliche Demokratie mit Gewalt einzuführen. Mal mit, mal ohne Mandat der Vereinten Nationen.
DER KRIEG BEGINNT HIER
Und die Menschenrechte? Über 1 Milliarde Menschen auf der Welt hungern. Die Finanzspekulation auf Lebensmittel hat die Preise für Grundnahrungsmittel in den letzten Jahren explodieren lassen. Die Militärstrategen der NATO Länder richten sich deshalb auf große Hungerrevolten in den ärmsten Ländern ein, denn solche Aufstände können sehr schnell deutsche Sicherheitsinteressen berühren. Ähnliche militärische Planspiele gibt es auch in Bezug auf die sozialen und politischen Folgen durch die weltweite Privatisierung von Wasser. Die Planungsstäbe rechnen mit regionalen militärischen Konflikten, die sich schnell ausweiten könnten. Das betrifft dann auch deutsche Sicherheitsinteressen. Über 50 Millionen Menschen sind bereits heute weltweit auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Hunger und Durst. Für den deutschen Kriegsminister sind diese Menschen eine militärische Herausforderung und eine Bedrohung der deutschen Sicherheitsinteressen.
DER KRIEG BEGINNT HIER
Welchen Stellenwert der Schutz von Menschenrechten in diesen Kriegen selbst hat, ist in Abu Ghraib, in Guantanamo oder auch beim Bundeswehr-Massaker im afghanischen Kunduz deutlich sichtbar geworden. Für die meisten Menschen in Afghanistan bedeutet der Krieg nicht Sicherheit, sondern vor allem Elend, Flucht und Tod, und das nicht erst seit 2001. Afghanistan ist seit Jahrzehnten Kriegsschauplatz, es gibt dort kaum noch Menschen, die etwas anderes kennen, als ein Leben im Krieg.
Genau so, wie in Kurdistan. Seit den 80er Jahren versuchen die verschiedenen Regierungen des NATO-Mitglieds Türkei den kurdischen Befreiungskampf mit militärischer Gewalt zu ersticken. Das geht nur durch die Unterstützung mit deutschen Waffenexporten. Die Türkei ist seit Jahren der größte Abnehmer deutscher Waffen.
DER KRIEG BEGINNT HIER
Ohne diesen Nachschub wäre der Krieg in Kurdistan für das türkische Militär nicht zu führen. In den letzten Wochen und Monaten wurden wieder hunderte RechtsanwältInnen, JournalistInnen und gewählte Abgeordnete verhaftet, genau so wie MenschenrechtsaktivistInnen und SchülerInnen. Damit versucht die AKP Regierung von Ministerpräsident Erdogan die zivilen und legalen Strukturen des kurdischen Widerstands zu zerschlagen. Auch das ist ein Gesicht des Kriegs. Auch hier leistet die deutsche Regierung seit Jahrzehnten Schützenhilfe: mit dem PKK-Verbot, mit der Kriminalisierung kurdischer und türkischer AktivistInnen durch §129b Prozesse und mit Abschiebungen in die türkischen Folterkeller. Die berüchtigten F-Typ Isolationsgefängnisse in der Türkei wurden nach deutschen Masterplänen entwickelt und türkische Offiziere wurden an der Führungsakademie der Bundeswehr ausgebildet.
Deswegen sagen wir: DER KRIEG BEGINNT HIER, HIER MÜSSEN WIR IHN AUCH STOPPEN
Wir schicken von dieser Anti-Siko-Demo kämpferische Grüße an die in den letzten Wochen Inhaftierten in der Türkei und an alle anderen politischen Gefangenen, die dort oder in anderen Ländern im Gefängnis sitzen, weil sie gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg kämpfen.
Die Münchnerin Andrea Wolf ging in den 90er Jahren als Internationalistin nach Kurdistan, um sich dem kurdischen Befreiungskampf anzuschließen. Sie wurde im Oktober 1998 bei einem Massaker der türkischen Armee zunächst gefangen genommen und dann grausam zu Tode gefoltert. Anschließend wurde ihr Leichnam noch weiter verstümmelt. Gut ein Jahr vor ihrer Ermordung schrieb sie in ihrem Tagebuch:
Ich würde mir wünschen, dass es in den Metropolen Bewegungen gäbe, die diesen Krieg angreifen, unmöglich machen würden. Einfach den Nachschub kappen. Ich weiß, es ist angesichts des Zustands in den Metropolen utopisch. Auch auf längere Sicht wird das wohl so bleiben. Schade. Das wäre was, eine militante Bewegung, die die Kriegsmaschine lahmlegt.
Leider hat Andrea mit ihrer düsteren Prognose vor 15 Jahren Recht behalten. Ihr Traum ist heute nicht weniger aktuell als damals: eine Bewegung in den Metropolen, die die Kriegsmaschine lahmlegt und den Nachschub kappt. Dafür sind wir hier auf der Straße gegen die Sicherheitskonferenz.
Im letzten Sommer haben europaweit anti-militaristische Gruppen mit der Kampagne WAR STARTS HERE, der Krieg beginnt hier, begonnen. Ziel der Kampagne ist, die Ursachen von Krieg und seine Bedingungen in den Metropolen sichtbar zu machen und anzugreifen. Die Orte der Kriegsproduktion, der Kriegslogistik, der Kriegsforschung und -ausbildung, die Kasernen und Übungsplätze, die Kriegsmessen und Kriegskonferenzen, die öffentlichen Gelöbnisse und die Strukturen zivil-militärischer Zusammenarbeit -
sie sollen MARKIERT werden, BLOCKIERT werden und wo es geht auch SABOTIERT werden!
In vielen Städten gab es in den letzten Monaten unterschiedliche Aktionen im Rahmen dieser Kampagne. Es gibt genug zu tun: München ist nicht nur Oktoberfest, Lederhosn, Alpenblick und Englischer Garten. München ist auch die Stadt der Sicherheitskonferenz und nicht zufällig sitzen hier zahlreiche der wichtigsten deutschen und internationalen Waffenproduzenten.
Hier können wir anfangen, den Nachschub zu kappen um den Krieg zu beenden.
Vielen Dank