Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchner „Sicherheitskonferenz“, ist für die Militärstrategen in Berlin und Washington, in London und Paris eine geradezu ideale Besetzung. Ischinger, der sich gerne als Krisendiplomat und als entschiedener Verfechter der weltweiten atomaren Abrüstung präsentiert, agiert in seiner Hauptrolle als Sprachrohr der offiziellen Militärpolitik der NATO und Lobbyist der machtpolitischen Führungseliten Deutschlands und der EU. Er steht in der vordersten Front der Kriegstrommler und nutzt jede sich bietende Gelegenheit, Deutschland und die Europäische Union zu noch größeren Rüstungsanstrengungen zu bewegen.
Ischingers Abrüstungsrethorik: Um der SIKO einen friedenspolitischen Anstrich zu geben, hat er die nukleare Abrüstung zum Tagungsthema im Bayerischen Hof auserkoren. Sein Engagement für die atomare „Null-Lösung“ erschöpft sich allerdings in weitgehend unverbindlichen Ermahnungen an alle Atommächte. Die entscheidenden Hindernisse, die diesem Ziel im Wege stehen, werden von ihm ganz bewusst ausgeblendet und kommen auch auf der SIKO gar nicht erst zur Sprache: Die NATO-Raketenabwehr und die Aufrechterhaltung der globalen militärischen Überlegenheit der USA und der NATO-Staaten gegenüber allen anderen Ländern. Für Ischinger jedoch ist die militärische Dominanz der NATO eine heilige Kuh.
Ischinger der Kriegstrommler: Im Zusammenhang mit der Truppenabzugs-Debatte plädierte er für mehr NATO-Präsenz und für die Aufstockung der Bundeswehrtruppen in Afghanistan. Deutschland dürfe „ein Scheitern der Mission und eine Schwächung der NATO nicht zulassen“, erklärte er. Die Folge davon wäre ein „Debakel und ein Reputationsverlust Deutschlands in der NATO.“ Ein zu früher Rückzug der Bundeswehr sei kontraproduktiv. „Innenpolitische Opportunitätsüberlegungen“, also der Wille der Mehrheit der Bevölkerung dürften „für Rückzugspläne nicht ausschlaggebend sein“. Der Bevölkerung seien bisher die Konsequenzen des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan nicht hinreichend erläutert worden. „Soldaten werden dazu ausgebildet, Andere notfalls umzubringen“ sagt Ischinger. Dies sei ihr Zweck, anderenfalls sollte man „das Technische Hilfswerk und die Polizei schicken“. In der Tat: Soldaten sind Mörder.
Ischingers Credo: Die Kriegsfähigkeit Deutschlands und der EU. Um die Bundeswehr „für die sicherheitspolitischen Herausforderungen der Zukunft fit zu machen“, sagt Ischinger, müssten die Streitkräfte zu einer leistungsfähigen „professionellen Berufsarmee“ umstrukturiert werden. „Der Wegfall der Wehrpflicht könnte damit zugleich auch der Grundstein für eine künftige europäische Armee sein“. Genau darauf kommt es ihm an. Der EU, so seine Kritik, mangele es an einer „glaubwürdigen militärischen Dimension“. Erst wenn die EU- Mitgliedsstaaten die Effizienz ihrer militärischen Fähigkeiten bündeln und mit der europäischen Kleinstaaterei im Verteidigungssektor Schluss machen, erklärt Ischinger, werde „Europa ein allseits glaubwürdiger Akteur auf der Weltbühne sein“. Unverhohlen wendet er sich gegen die im Grundgesetz verankerte parlamentarische Kontrolle von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. „Bestimmte militärische Beiträge“, fordert er, sollten „so sie von EU oder NATO angefordert werden, von einem möglichen Veto der nationalen Parlamente ausgenommen werden“.
Ischinger, glühender Verfechter der NATO-Raketenabwehr. Um ein wirklich optimales Raketenabwehrsystem zu schaffen, plädiert er für eine enge militärische Kooperation zwischen den drei Machtzentren USA, EU und Russland. Die gemeinsame Raketenabwehr mit Russland ist für ihn der „entscheidende Schritt“ für einen zukünftigen NATO/EU/Russland-Pakt – ein Militärpakt gegen den Rest der Welt.
Ischinger zu Libyen: Der NATO-Krieg darf nicht schief gehen. Zu Beginn des NATO-Krieges in Libyen sagte Ischinger: „Die Sache darf jetzt nicht schief gehen (...) ich halte es für richtig, dass die beteiligten Staaten ihr Mandat breit auslegen (...) Es muss jetzt das Ziel sein, die Sache zur Entscheidung zu bringen.“ Seine Rechnung ist aufgegangen – gewaltsamer Regimewechsel und 50.000 Tote.
Wozu Kriege gut sind. Ischinger: „Für den Erfolg unserer Wirtschaft“. Keines der DAX-Unternehmen, sagt Ischinger, verdiene sein Geld heute ausschließlich in Deutschland. Die „Global Player“ seien „davon abhängig, dass z.B. Luft- und Seefahrtstransporte sicher stattfinden können und eine weltweite Investitionssicherheit vorliegt“. Die Bundeswehr, die NATO und die EU sollen das gewährleisten. Ischinger sagt das so: „Die Sicherheitspolitik ist deshalb eine wichtige Rahmenbedingung für den Erfolg, den unsere Wirtschaft auf der ganzen Welt erzielt hat und auch weiter erzielen wird“. Früher nannte man das Imperialismus.