Manuskript als PDFvon Bedia Özgökce Ertan Anwältin aus Wan und HDP-Abgeordnete im türkischen Parlament in Ankara - Übersetzung Cetin Oraner.
Liebe Freundinnen und Freunde, Genossinen und Genossen,
1. Wir teilen mit unserem demokratischen und friedlichen Protest dieselbe Hoffnung. Hier und heute rufen wir unseren Protest, unsere Hoffnung mit einer gemeinsamen Botschaft in die Welt hinaus. In diesem Sinne begrüße ich Euch ganz herzlich.
Unweit von uns haben sich die Herren der Macht versammelt - deshalb ist unsere Botschaft des Widerstands umso wichtiger.
Die Nato hat der Welt unermessliches Leid gebracht. Jedes Nato-Land ist verantwortlich an diesem Leid. Sie haben mit ihrer so genannten Sicherheitspolitik die Voraussetzungen geschaffen für die Aufteilung der Welt in Märkte, für die brutale Ausbeutung von Mensch und Ökologie. Sie sind die Ursache von Krieg, Zerstörung und Flucht.
2. Ich komme aus dem Nato-Land Türkei. Die Türkei unterstützt seit Jahren die Verbrecher Banden des IS. Vor den Augen der Welt hat die Türkei diese Barbaren gezüchtet die im Sengale, in Kobane um nur zwei Beispiele zu nennen, zehntausende Menschen bestialisch ermordet, tausende Frauen versklavt und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Die Türkei bezeichnet die demokratische Selbstverwaltung in Rojava als ihre „rote Linie“. Um diesen demokratischen Prozess, der nicht nur für Syrien, sondern für die ganze Region zum Modell werden könnte, zu vernichten, unterstützt die Türkei die dschihadistischen Verbrecherbanden bis auf den heutigen Tag.
3. Das Projekt Öcalans für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage und die demokratische Selbstverwaltung für alle wurde jahrelang von Erdogan mit einer Hinhaltepolitik verhindert. Bis er schließlich den Waffenstillstand gebrochen und einen verbrecherischen Krieg gegen das kurdische Volk vom Zaun gerissen hat.
Meine Partei, die demokratische Partei der Völker HDP, ruft unermüdlich die Regierung dazu auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Gespräche wieder aufzunehmen, den verbrecherischen Krieg gegen die eigene Bevölkerung zu beenden und die logistische Unterstützung für den IS einzustellen.
4. Als die internationale Kritik zu dieser menschenfeindlichen Innen- und Außenpolitik der Türkei größer wurde, spielte Erdogan die Flüchtlingskarte aus. Die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge in der Türkei wurden in einer menschenverachtenden Art und Weise bewusst verschlechtert. So dass für hunderttausende Menschen die Grundlage für ein Leben in Sicherheit genommen wurde und sie zur Weiter-Flucht in die EU gezwungen waren. Schlepperbanden wurden regelrecht von der türkischen Regierung gefördert. Somit ist auch die Türkei am Tod von unzähligen Flüchtlingen in der Ägäis mitschuldig. Die Rechnung jedoch ging auf. Bundeskanzlerin Merkel hat gemeinsam mit Erdogan vor den Augen der ganzen Welt die Menschenrechte verhandelbar gemacht. Sie sind sich einig geworden, das Menschenrechte für flüchtende Menschen und für das kurdische Volk und für die Opposition in der Türkei nicht gelten.
5. Seit über 60 Tagen herrscht in kurdischen Städten wie Cizre, Diyarbakir/Sur, Silopi und Sirnak ein totales Ausgangsverbot. Die Städte sind von türkischer Armee und Polizei belagert. Panzer und Artillerie beschießen die Zivilbevölkerung. Heckenschützen schießen auf Menschen, die den Fuß vor ihre Haustür setzen. Bisher wurden fast 500 Menschen getötet. Unter den Opfern ist eine Vielzahl von Kindern. Es gibt keinen Strom, kein Wasser und keine Lebensmittel. Tote können nicht beerdigt werden. Krankenwagen, Ärzte und Pflegepersonal werden nicht in die belagerten Städte gelassen oder es wird auf sie scharf geschossen. Zeitgleich zum Besuch der deutschen Kanzlerin Merkel wurden 60 schutzsuchende Menschen in einem Kellerraum in Cizre getötet. Vor zwei Tagen wurden wieder in Cizre 20 Menschen die sich vor den Bombardierungen Schutz suchend in einem Kellerraum eines anderen Gebäudes befanden, bei lebendigem Leibe von türkischen Militärs verbrannt.
6. Diese Verbrechen in Kurdistan gegen die Menschlichkeit und die Kriegsverbrechen werden mit Nato-Panzern bzw. mit Nato-Waffen begangen. Mit der Unterstützung der Nato-Länder für die Menschenrechte verhandelbar sind. Diese Nato-Waffen sind die Ursache für Krieg und Flucht aus Syrien, aus Rojava, aus dem Irak und aus Kurdistan.
Trotz alledem werden wir die Hoffnung nicht verlieren und weiter kämpfen für den Frieden. Wir Kurdinnen haben eine Losung in unserem Kampf: Berxwedan jiyane! Leben ist Widerstand! Widerstand ist Leben! Hoch die internationale Solidarität!