Rede German, ver.di-Jugend.
Redebeitrag von German für die ver-di Jugend München
bei der Auftaktkundgebung am 7.2.2009 auf dem Marienplatz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Antimilitaristinnen und Antimilitaristen,
hier, in der Landeshauptstadt der Ordnungszelle Bayern, finden sich jedes Jahr Vertreter großer Rüstungsfirmen, hohe Militärs sowie Männer und Frauen der internationalen Politprominenz zusammen. Diese, ehemals treffender als Wehrkundetagung firmierte, sogenannte NATO-Sicherheitskonferenz im Bayerischen Hof wird von Jahr zu Jahr immer mehr zum Kampfplatz um das Recht, sich unter freiem Himmel versammeln zu dürfen. Dieses Recht wurde uns in der Vergangenheit immer sehr schwer gemacht und an uns wurde erprobt, was 2008 in das bayerische Versammlungsgesetz in Form gegossen wurde. Die Szenerie bei der letztjährigen Demonstration verglich ein mir bekannter Tierarzt mit „Stieren, die zum Kastrieren geführt wurden!” Er erklärte diesen Vergleich damit, dass die großen Rinderherden zum Brandmarken oder die Bullen zum Kastrieren in enge Gitter getrieben wurden, so dass man ihnen besser Herr wurde. Insbesondere die Kastration führte dazu, dass die Tiere ruhiger wurden und das Fleisch zarter.
Wir aber wollen nicht ruhiger werden! Wir dürfen nicht ruhiger werden! Von der Schulbank zur Schlachtbank wurde die Jugend in Deutschland schon zwei Mal geschickt, um den Tod in andere Länder zu exportieren.
Vor zwei Jahren schon schrieb Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel: „Schäubles Vorkrieg”: „Heute beginnt der Vorkrieg, wenn Verfassungspolitiker die Verfassung nicht mehr achten.” Aber ist es denn wieder so weit?
Wie sieht die Lage heute konkret aus?
Angriffskriege sind seit ebensolchem gegen Jugoslawien `99 wieder an der Tagesordnung. Aber damit wird sich nicht zufrieden gegeben - noch mehr „nationale Interessen” werden „in aller Welt gesichert”. Das sagen sie jedenfalls.
Doch zu welchem Zweck? Jedenfalls keinem im Sinne der Bevölkerung, das steht fest. Warum sonst sollte parallel zur Aufrüstung für den Krieg nach Außen immer mehr Energie darauf verwendet werden, die eigene Bevölkerung in Schach zu halten? Bestes Beispiel hierfür ist die Gründung des sogenannten Heimatschutzes. Der De-facto-Inlandseinsatz der Bundeswehr während der Sicherheitskonferenz bestand vor zwölf Jahren noch aus 115 Soldaten. Letztes Jahr waren es bereits 420 Soldaten, wobei 110 bewaffnete Feldjäger das Hausrecht im Bayerischen Hof übernahmen. Kann man, oder muss man da schon von einer schleichenden Okkupation reden, wie auch z.B. in einer Arbeitsagentur in Frankfurt?! Dort hat nämlich ein Wachmann auf Anordnungweisung der Bundeswehr, die gerade eine der unzähligen Rekrutierungsveranstaltungen für Erwerbslose dürchführte, einem Vertreter der IG-Metall den Zutritt verwehrt. Die Bundeswehr okkupiert also die Arbeitsämter, hat dort sogar schon feste Büros installiert. Jugendlichen, die durch die Verschärfung ihrer sozialen Situation in die Perspektivlosigkeit getrieben wurden, wird dort der Soldatenberuf als sicher, ja todsicher, angepriesen. Dies ist aber nur ein Teil der umfassenden Militarisierung Deutschlands im Innern. Die durch die jetzige Weltwirtschaftskrise noch größer werdende Not treibt sie dazu, diese zu beschleunigen. Ganz nach dem Motto: Je mehr Not, desto mehr Notstand. Als weitere offensive Werbe- und Indoktrinationsmaßnahmen von Seiten des Militärs ist zu nennen, dass bereits Kindern in Form einer „Kinderuni” als Teil der Bundeswehruniversität in Neubiberg Nahe gebracht wird, dass Kriege aufgrund von Ressourcenknappheit entstehen. In Betrieben, Schulen und Universitäten wird systematisch zur geistigen Kriegsvorbereitung das Kriegsspiel POLIS (Politik & Internationale Sicherheit) durchgeführt. Angeleitet werden sie von sogenannten Jugendoffizieren, einer weltweit einzigartigen Institution. Gegründet von Adolf Heusinger, dem mehrere schwere Kriegsverbrechen als NS-General zur Last gelegt werden. Diese Institution der Bundeswehr wird nun auch, nach einem Kooperationsvertrag zwischen dem Ministerium Schule und Weiterbildung des Landes NRW und dem Wehrbereichskommando II der Bundeswehr, „im schulischen Kontext Schülerinnen und Schüler über die Friedenssicherung möglicher und/ oder notwendigen Instrumente der Politik” informieren. Hinzu werden „Informationen (...) zu nationalen Interessen einzubeziehen sein.” Aha - also quasi Friedenssicherung für nationale Interessen. Da sollten wir Bertolt Brechts Ausspruch immer im Hinterkopf behalten:
„Wenn die Oberen vom Frieden reden
Weiß das gemeine Volk
Daß es Krieg gibt.
Wenn die Oberen den Krieg verfluchen
Sind die Gestellungsbefehle schon ausgeschrieben.”
Das gilt vor allem jetzt in Bayern, da hier ebenfalls solch ein Kooperationsvertrag im Gespräch ist, der von uns verhindert werden muss.
Kooperationsverträge gibt es auch mit dem THW oder Krankenhäusern, wie z.B. in Bad Doberan bei Rostock, das während des G8-Gipfels quasi dem Militär unterstand. Dementsprechend wurden teilweise auch Einsätze durchgeführt, wie diverse nicht genehmigte Kampfflugkommandos über den Köpfen der Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten, ohne Wissen des zuständigen Ministers, Herrn Jung.
Das Militär mutiert immer mehr zur vierten Gewalt, das nach dem bürgerlichen Demokratieverständnis massiv antidemokratisch ist. Deshalb müssen wir, vor allem als Jugend, verhindern, dass in Deutschland jemals wieder "Soldaten gegen Demokraten" eingesetzt werden, sowie dafür sorgen, dass keine Kriege von Deutschland mehr ausgehen. Und das schaffen wir - wir, die wir taktisch-strategisch richtig vorgehen müssen. Tobias Pflüger formulierte treffenderweise Anfang des Jahres, anlässlich des 90. Jahrestages der von Freikorps ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht: „Dies - immer zuerst und zentral gegen die "eigene" Regierung - ist ein grundlegender Ansatz, den es bei allen politischen Aktivitäten zu bedenken gilt.”
Bedenken wir dies, so schaffen wir das!
Danke!